Traueransprache für Herrn Jürgen Günter Herberth mit Ps 34,7

Liebe Familien Herberth und Schenker, liebe Trauergemeinde!

Jeder Mensch hat etwas, wofür er lebt, was er erreichen möchte, was ihn antreibt, wofür es lohnt, sich einzusetzen. Für Jürgen Herberth können wir dafür Vieles aufzählen. Ein Ziel zu erreichen, gab es immer wieder, ganz konkret bei sportlichen Herausforderungen wie Ultramarathon oder Bergsteigen. Es gab ein Projekt, in dem er sich selbst ein Stück weit verwirklichen konnte, die Gestaltung seines Gartenparadieses in Förrenbach. Es gab für Jürgen Herberth auch ein Eingebettetsein in die liebevolle Gemeinschaft seiner Familie und ihm war sogar ein zweites Mal eine Beziehung vergönnt, in der er sich wohlfühlte und geachtet wurde, nach seiner Frau Gertraut, nun mit Ihnen, Steffi Lang. Ihm war es ein Herzensanliegen für seine beiden Kinder Ragnar und Ramona da zu sein und jeden von Ihnen auf ganz spezielle Art zu fördern und zu fordern. Jürgen Herberth hatte neben dem Sport, auch noch ein ungewöhnliches Hobby, grobe Steine von überall her zu bergen und mit dem richtigen Schliff ein Juwel daraus zu machen. Er hatte ein ungeheuer großes Interesse für die Natur und alles, was darin zu finden war. Und selbst beruflich gab es immer eine Herausforderung, die ihn reizte.
Wenn wir so auf das Leben von Jürgen Herberth sehen, dann sind das alles Dinge, die ein Leben tragen, für die es sich lohnt, zu leben, die dem Leben Sinn verleihen.
Was aber ist, wenn all das auf einmal alles nicht mehr trägt? Wenn einem das Leben sinnlos und ohne Perspektive erscheint? So muss es Jürgen Herberth ergangen sein. Bei uns aber löst das Unverständnis, Verunsicherung und Hilflosigkeit aus.
Seit Sie erfahren haben, dass Jürgen Herberth tot ist, treibt Sie ein "hätte. wäre ., wenn" um und die Frage nach dem Warum? Darum kreisen Ihre Gedanken und Gefühle. Was hat Jürgen Herberth in der Nacht des 22. Märzes innerlich so zugesetzt, dass er nicht mehr leben mochte und konnte? Was hat ihn so hoffnungslos und so ohne Perspektive werden lassen, dass er nur diesen einen Weg sah? Es ist einem nach Klage und Anklage zumute und so könnte man es sich den Worten von Marta anschließen, die, als Ihr Bruder Lazarus stirbt, Jesus höchstpersönlich anklagt: "Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben!" (Joh 11,21). Herr, wärst du hier gewesen., ist das nicht auch eine Frage, die uns quält? Herr, wärst du im Garten von Förrenbach gewesen, dann wäre Jürgen Herberth nicht gestorben. Denn die Losung des Tages hieß doch:
Als einer im Elend rief, hörte der Herr und half ihm aus allen seinen Nöten.(Ps 34,7).
Herr, wärst du hier gewesen, dann hättest du doch Jürgen Herberth geholfen. Hätte nicht irgendetwas diese Verzweiflungstat verhindern können? Wir wissen es nicht. Diese Fragen werden wohl im Dunkeln bleiben. Auch Marta hat im Evangelium keine Antwort auf ihre anklagende Frage bekommen, ob der Tod von Lazaraus wirklich zu verhindern gewesen wäre. Aber Jesus macht ihr in ihre Trauer hinein eine große Zusage. Er klärt nicht rückwärtsgewandt die Frage nach dem Warum, dem Wäre-Wenn, aber erhellt Martas Blick nach vorne. Er sagt: Dein Bruder wird auferstehen. Dies verstärkt Jesus mit der grundlegenden Hoffnungsbotschaft: Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.
Das sagt Christus heute auch im Blick auf Jürgen Herberth: Du wirst leben, auch wenn du gestorben bist.
Wenn wir auch all das Elend, das Jürgen Herberth empfunden hat, trotz all den schönen und guten Dingen, die ihm das Leben geschenkt hat, nicht ganz verstehen können, so dürfen wir doch gewiss sein: Der Herr hörte und half ihm aus allen seinen Nöten. Vielleicht war nur die Flucht in Gottes Arme, der Weg, der aus allen Nöten half. So schrecklich das ist. Und doch zeigt es: Gott war dort im Garten von Förrenbach.
Aber das nimmt Ihnen als Familie und Freunde, nicht die Not dieser schlimmen Tage, das nimmt den Schmerz der endgültigen Trennung nicht weg, das löscht die Härte Ihrer Trauer nicht aus, aber es sagt uns allen zu: Wie groß das Elend auch sein mag, Gott hört und hilft heraus.
Wo es möglich ist, tut er es hier in diesem Leben. Ansonsten hilft er heraus aus dem Tod zum ewigen Leben. Und doch gilt es nochmal Jürgen Herberth, das was ihn trägt und ausmacht, und das, was ihn leiden lässt und unhaltbar traurig macht, zu verstehen. Im September 1958 wird er in Siebendörfer geboren und wächst als Pfarrerssohn in Siebenbürgen auf, mit all den Vor- und Nachteilen, die das so in sich birgt. Jürgen Herberth ist wachsam und ihm entgeht nichts, er entdeckt, vor allem in der Natur, Dinge, die andere übersehen hätten. Erlebt aber zugleich die Unfreiheit der rumänischen Gesellschaft, bewundert den stand- und wehrhaften Vater, muss selbst als junger Mensch fernab von den Eltern versuchen mit wenig auszukommen. Ist froh und dankbar, dabei immer seine Schwester Gudrun bei sich zu haben.
Die Ausbildung zum Forstingenieur rundet dieses Lebensbild ab, genau wie die Heirat mit der Jugendliebe Gertraut. Doch der Ausreiseantrag und schließlich die Ausreise selbst nach Deutschland erschweren diesen Lebensweg von Jürgen Herberth. Hier in Deutschland braucht es eine neue Ausbildung, erst zum Programmierer, dann zum Wirtschaftsinformatiker. Die kleine Familie mit Sohn Ragnar muss sich einschränken und als Tochter Ramona geboren wird, stehen die nächsten Herausforderungen ins Haus. Doch all das bleiben ja äußere Eckpunkte eines Lebens.
Jürgen Herberth charakterisiert doch viel mehr das, was Sie alle an ihm erlebt haben. Seine Begeisterungsfähigkeit, mit der er andere, Sie alle hier, zu den unglaublichsten Dingen motivieren konnte, sich selbst eingeschlossen. Seine absolute Verlässlichkeit, die Ramona einmal so schön charakterisierte: Papa, das schaffen wir. Sein Einsatz für andere, seine Familie und Freunde, für die er sein letztes Hemd gegeben hätte, sein enormes Gerechtigkeitsempfinden und seine Liebe und Freundschaft zu Ihnen allen. Das alles lässt Jürgen Herberth strahlen in Ihrer Erinnerung, da war so viel Licht, er hat Licht in all Ihrer Leben gebracht.
Aber wo viel Licht ist, fällt auch viel Schatten. Und dieser Schatten fiel leider auf Jürgen Herberths empfindsame Seele. Und so konnte er all die Liebe, die Sie ihm entgegen gebracht haben, nicht annehmen. Fühlte sich ihrer nicht wert. Dagegen fühlte er sich getrieben und zerrissen, wollte so Vieles, erreichte Einiges und meinte doch, immer noch nicht zu genügen, spürte dagegen Versagen und Scheitern umso mehr.
Als einer im Elend rief, hörte der Herr und half ihm aus allen seinen Nöten.(Ps 34,7). Als ob Jürgen Herberth jemals sein Elend hinausgerufen hätte, von wegen: Kein Grund zum Jammern, wurde gesagt, wollte er doch niemanden zu Last fallen. Er hat sich lieber abgeschottet und verschlossen.
Und doch wird er seinen Glauben nicht verloren haben, besuchte er doch gerne zusammen mit seiner Mutter die Sebalduskirche. Also wird er Gott um Hilfe aus allen Nöten gebeten haben. Doch wenn, dann tat er es in aller Stille.
Denn es ist einerseits still geworden in der letzten Zeit um Jürgen Herberth. Er, der sonst brilliant, und voller Humor reden konnte, wurde ruhiger, zurückgezogener und schweigsamer und hat andererseits mit seinem Sohn so viele Gespräche geführt wie vorher nie. Hat seine Gedanken mit ihm geteilt und sich Zeit genommen zum Reden. Ein Geschenk, das im Rückblick immer kostbarer wird. Und doch ist Ihnen all das, was Jürgen Herberth ausmacht am Montag vor einer Woche verloren gegangen. Und der Schmerz darüber ist unendlich groß und wiegt zentnerschwer.
Doch damit wir, ob im Leben oder im Tod, nicht verloren gehen, auch dann, wenn uns nichts mehr trägt und im Leben hält wie Jürgen Herberth, darum hat Gott seinen Sohn für uns hingegeben. So groß ist seine Liebe zu uns. Nichts kann uns von Gottes Liebe trennen. Und geschenkt wurde uns das durch Jesu Kreuzestod, dessen wir uns am Freitag in besonderer Weise erinnern.
Und doch: In wenigen Tage ist Ostern. Gott sei Dank! Denn dieses Fest drängt alle Fragen, alle Zweifel beiseite, denn es ist so mächtig, dass es selbst riesige Grabsteine weg bewegen kann. Ostern ist das Fest, an dem der Tod durchs Leben besiegt wird. Und so können wir im Abschied nehmen Jürgen Herberth loslassen und dem Tod anheimgeben, weil wir wissen, das ist nicht von Bestand. Ostern wird den Tod überrumpeln und Jürgen Herberth ins ewige Leben ziehen. Warum das so ist? Ganz einfach, weil Gott niemals aufgibt. Gott lässt sich nicht von Grabsteinen oder Einem-Nicht-mehr-leben-wollen in die Knie zwingen. Gott gibt niemals auf. Auch wenn Jürgen Herberth sich selbst aufgegeben hat, das hält doch Gott nicht davon ab, Jürgen Herberth mit seiner Gnade, seiner Vergebung und darum mit dem Leben zu umfassen. Ihn einzuholen und zu umschließen mit dem, was ihn, Gott, ausmacht: Seine Liebe und sein Erbarmen umgibt Jürgen Herberth, denn Gott gibt niemals auf. Er erweckt zu neuem Leben. Seinen eigenen Sohn an Ostern und Ihren Sohn, Bruder, Vater, Mann und Freund in diesen Tagen, weil Gott niemals aufgibt. Denn genau so hört der Herr und hilft uns aus allen Nöten. Amen.

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